Der Einzelhandel muss sich fit für die Zukunft machen
In einem Artikel in den LOZ.NEWS vom 01.11.2018 spricht Wolfgang Reichenbächer von der Online-Zeitung mit Jürgen Wirobski über die Herausforderungen und Abwehrmechanismen des Einzelhandels und über den derzeitigen und künftigen zu erwartenden Wandel in der Branche.
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Wirobski: „Die Bedeutung des Onlinehandels wird weiter zunehmen“
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Geesthacht (wre). Es gibt immer wieder Bestrebungen des örtlichen Einzelhandels sich gegen die „übermächtigen“ Giganten der Branche wie etwa Amazon oder Zalando zur Wehr zu setzen. Vor allem die kleineren Geschäfte versuchen auf der emotionalen Ebene Käufer davon abzubringen im Internet zu kaufen. „Das sind aber oftmals die falschen Ansätze die dort verfolgt werden“, erklärt der Unternehmensberater und erste Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Geesthacht (WVG) Jürgen Wirobski. Auch der lokale Einzelhandel muss sich bewegen, wenn er künftig bestehen will, ergänzt Wirobski.
Bei Aktionen zur (Unter-)Stützung des örtlichen Handels wird meist an die Emotionen der Kunden appelliert. Es wird erklärt, warum der Onlinehandel oder gar auch gleich das ganze Internet „böse“ sei. Denn neben drohenden Leerständen in den Innenstädten gibt es auch Kampagnen die erklären, warum das Geld lokal besser ausgegeben wird. Nicht nur wegen der Steuern, die die Gemeinde unterstützen, nein, es sollen ja auch die Gewerbetreibenden unterstützt werden. So solle der Geschäftsinhaber lieber das Geld erhalten damit er seinen Kindern auch Reiten, Musikunterricht oder Spielekonsolen kaufen kann. Man solle die da oben, voran den Herrn Amazon (Jeff Bezos) nicht noch reicher machen. Das ist aber zu kurz gedacht. Auf Amazon finden sich auch viele kleine Online-Händler wieder, und man nimmt mit diesen Aktionen kaum die Kunden mit.
Dabei gibt es viele gute Gründe für den lokalen stationären Handel. Nur teilen die Händler das meist den Kunden nicht mit, sondern versuchen über emotionale Gründe an Kunden heranzukommen. Und die Zeit wieder zurückzudrehen wird nicht funktionieren. „Die Bedeutung des Onlinehandels wird weiter zunehmen. Dies zu bekämpfen ist nicht nur Zeitverschwendung, sondern auch noch selbstzerstörerisch. Vielmehr müssen insbesondere der stationäre Einzelhandel lernen, mit den Veränderungen im Kaufverhalten – von uns Kunden –umzugehen“, erklärt Wirobski.
Statt also zu erklären warum die großen Onlinehändler schlecht sind, sollte der lokale Einzelhandel lieber seine Stärken hervorheben und dabei aber auch die Chancen des Internets nutzen. „Der Online-Handel wird bis 2020 auf etwa 77 Milliarden Euro Umsatz oder über 15 Prozent des Einzelhandelsgesamtumsatzes steigen. Es wird daher anhaltend Druck auf den stationären Handel geben und wer nicht mit Omnichannelstrategien vertreten ist, wird es sehr schwer haben, zu bestehen“, so Wirobski.
Dabei hat der lokale Handel durchaus seine Vorteile. „Die Nase vorn hat der Einzelhandel eindeutig bei der Kundenberatung, Warenpräsentation sowie Übersichtlichkeit der Verkaufsräume. Auch hinsichtlich der Bezahlvorgänge gewinnt der traditionelle Einzelhandel überraschend deutlich. So fühlen sich die Kunden bei der eigentlichen Kaufabwicklung bezüglich Datensicherheit, der Zahlung selbst, den Informationen über Finanzierungsmöglichkeiten und bei der Preistransparenz in Ladengeschäften häufig besser aufgehoben“, zählt der Unternehmensberater auf. „Künftig sollten die Einzelhändler aber auch zusätzlich die Chancen des Internets nutzen“, rät Wirobski. Denn wer heute im Internet keine Präsenz zeigt, existiert oftmals gerade für die junge Generation nicht.
Laut dem Retail Report und der IFH Köln können Filialen, die sich nicht an die Herausforderungen der digitalen Transformation anpassen, im Wettbewerb nicht mithalten. Allein in den USA mussten 2017 in Summe 8.640 Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von rund. 13,7 Millionen Quadratmetern schließen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, müssen die stationären Geschäfte entweder zu Fulfilment- oder Erlebniscentern werden – oder zu beidem. „Der stationäre Handel ist nicht tot, aber er muss sich dringend neu erfinden. Für eine Neuausrichtung müssen stationäre Geschäfte als Erlebniscenter konzipiert werden, in denen Kunden Produkte testen oder eine Marke über praktische Erfahrungen besser kennenlernen. Der Laden muss zum aktiven Knotenpunkt in der Lieferkette werden“, rät die Studie. Als Beispiel wird das Unternehmen Toys R Us, das letztes Jahr Insolvenz anmelden musste, genannt. Das Unternehmen bestritt den Wettbewerb ausschließlich über den Preis und das Sortiment (ebenso wie Amazon). Erfolgreicher wäre das Unternehmen vielleicht gewesen, hätte es seine Läden in große Spielecenter umgestaltet, in denen Kinder die angebotenen Spielsachen ausprobieren können.
Ob ein Einzelhändler gegen die Konkurrenz bestehen kann, hängt davon ab, ob er für seine Kunden ein Problem lösen kann. Händler sollten sich darauf konzentrieren, Schwierigkeiten ihrer Kunden entlang der Kundenerfahrung zu beseitigen, kommen Retail Report und der IFH Köln zum Ergebnis. Nahezu jedes innovative Unternehmen hat eine Herausforderung bei der Kauferfahrung seiner Kunden erkannt und Abhilfe geschaffen. Um Aufmerksamkeit zu gewinnen und ihre Effizienz zu steigern, werden Einzelhändler sich sowohl den eigenen Problemen widmen, etwa wie sie gegen Amazon und andere Konkurrenten bestehen können, als auch den Herausforderungen ihrer Kunden.
Jürgen Wirobski sieht die Zukunft des lokalen Einzelhandels nicht so pessimistisch wie die Situation oft dargestellt wird. „Der Einzelhandel muss sich aber auf die neuen Umstände einstellen. Nur das Internet zu verteufeln wird nicht reichen. Aber wer die Vorteile aus lokalem Einzelhandel und Onlinehandel bei gutem Einkaufserlebnis miteinander kombiniert, hat auch für die Zukunft gute Chancen“, schließt Wirobski ab.
Und davon profitiert dann nicht nur der Einzelhändler, sondern auch die Region durch weniger Leerstände und einer Sicherung von Arbeitsplätzen und Steuern für die Kommunen und Städte.